Er rattert und knattert auf den Schienen, der Zug zieht seine Schneisen durch die Dunkelheit, taucht in mir fremden Städten auf, entleert sich an irgendwelchen trostlosen und dreckigen Bahnhöfen wie ein Organismus um gleich wieder eine unzählige Schar an Menschen in seinen stählernen Bauch aufzunehmen, sie taumeln wie Betrunkene durch die Gänge, suchen mit wirren Blicken ihre Plätze, wuchten tonnenschwere Koffer in das Gepäckregal, als ob sie auf der Flucht wären. Sie nehmen Platz in den noch warmen Sitzen, breiten sich aus, als ob sie Tage hier verbringen wollten. Zeitungen werden hervorgeholt, sind sie erst gelesen, bleiben sie vor dem Aussteigen einfach liegen. Die nächsten Zuggäste trampeln darüber hinweg, schimpfen, um ebenfalls den ganzen Müll, den sie im Zug produzieren, gleichfalls liegen zu lassen.
So leben alle für eine kurze Zeit in einer Welt, in der sich niemand wohlfühlen kann, ist sie doch wie Meteorit auf der Flucht vor sich selbst.
Auf den namenlosen Bahnhöfen, den der Zug links und rechts von sich liegen lässt, erkennt man nichts, höchstens ein Bündel Kleider das auf einer Bank liegt. Alkohol lässt die Konturen von Menschen verschwinden.
Je näher die Provinz kommt, umso weniger Menschen sind in den Abteilen. Bis man ganz alleine ist und das Gefühl aufkommt, der Zug würde nun direkt in die Hölle fahren, Nichts bleibt von einer Orientierung, die einem täglich hilft durch das Leben zu kommen. Nur die Hoffnung, dass da ganz vorne im Zug noch ein Mensch die Kontrolle über diesen schienenglühenden Lindwurm hat.
So hoffe ich, dass mich der Lindwurm an meinem Bahnhof noch ausspuckt, bevor er weiter in die Verdammnis fährt. Vom Bahnhof werde ich müdetaumelend mein Auto suchen. Die Welt hat mich wieder.
Es ist erst August, dennoch sind die Zeichen, die das Ende des Sommers ankündigen, nicht zu übersehen.
Sommergerste und Roggen, der Raps ohnehin, sie sind geerntet. Die Traktoren sind jetzt auf den Feldern und zerkleinern mit großen Maschinen die Stoppelreste der Felder.
Es ist dieser Duft, eine feine Mischung von Stroh und frischer Erde. Sie kündigen von dem immer wiederkehrenden Rhythmus der Jahreszeiten.
Wenn erst der Mais und danach die Kartoffeln und Rüben geerntet werden, dann ist der Herbst in seiner ganzen farblichen Pracht da. Die Zeit, an dem der Nebel am frühen Morgen aus den kahlen Feldern steigt.
Bevor der graue und trostlose Monat November versucht, uns die Lust am Leben zu trüben, beginnt jetzt die schönste Jahreszeit, die eigentlich keine ist:
Am frühen Morgen barfuß über den nassen Rasen tanzen.
Die frische, kühle Luft in die Lungen strömen lassen. Die Stille des Morgens beim ersten Spaziergang mit dem Hund erleben. Der Weg, er führt entlang am satten in Tau gelegtem Grün hinein in das strahlende Licht der reflektierenden Wassertropfen. Die Sonne findet ihren Weg durch das dichte Blattwerk der Bäume. Von Ferne rauscht das Wasser am großen Teich in die Gräben. Der Tag kann kommen.
Still ist es am frühen Morgen. Tau liegt auf den Wiesen. Die Sonne scheint in einem warmen Ton von Gelb und Orange. Die kalte Luft des Morgens füllt meine Lunge. In weiter Ferne höre ich das Krächzen der Raben. Unter meinen Füßen knirscht der feuchte Kies. Mein Hund läuft über einen Teppich von Laub, schnuppert hier und da. Ich bleibe einen Moment stehen und schau ihm zu. Voll und ganz lebt er im hier und jetzt. Er kennt kein gestern und weiß nicht, dass es ein Morgen geben wird.
Aus dem Dickicht des Waldes springt ein Reh über ein frisch gepflügtes Feld. In weiten ausladenden Sprüngen überquert es den Acker. Feiner, leichter Staub wirbelt auf. Dann, ganz unvermittelt, bleibt es stehen und schaut uns an. Mein Hund, hellwach, eine Pfote angehoben. schaut gebannt auf die Szene. Ganz intensiv erleben wir diesen Moment. Die Sonne steht im Hintergrund, das Reh schaut uns an, aus den Nüstern steigt der Atem empor und ich wünsche mir, dass dieser Moment ewig so bleiben möge.
Die Brandung treibt die Wellen an den Strand. Es ist als ob das Meer nach dir greifen und zu sich ziehen will, dass du eins werdest mit dem Meer. Es zieht dich magisch an, diese flüssig gewordene Sehnsucht. Du ziehst deine Schuhe und Strümpfe aus und gehst über den mit feinen Muscheln bedeckten, strahlend weißen Strand. Grad nur soweit, bis das das schäumende Wasser deine Füße bedeckt. Jetzt bist du eins mit dem Meer ………