Begegnung

Still ist es am frühen Morgen. Tau liegt auf den Wiesen. Die Sonne scheint in einem warmen Ton von Gelb und Orange. Die kalte Luft des Morgens füllt meine Lunge. In weiter Ferne höre ich das Krächzen der Raben. Unter meinen Füßen knirscht der feuchte Kies. Mein Hund läuft über einen Teppich von Laub, schnuppert hier und da. Ich bleibe einen Moment stehen und schau ihm zu. Voll und ganz lebt er im hier und jetzt. Er kennt kein gestern und weiß nicht, dass es ein Morgen geben wird. 

Aus dem Dickicht des Waldes springt ein Reh über ein frisch gepflügtes Feld. In weiten ausladenden Sprüngen überquert es den Acker. Feiner, leichter Staub wirbelt auf. Dann, ganz unvermittelt, bleibt es stehen und schaut uns an. Mein Hund, hellwach, eine Pfote angehoben. schaut gebannt auf die Szene. Ganz intensiv erleben wir diesen Moment. Die Sonne steht im Hintergrund, das Reh schaut uns an, aus den Nüstern steigt der Atem empor und ich wünsche mir, dass dieser Moment ewig so bleiben möge.

Drüben

Kalt umschließt mich der Nebel des frühen Tages 

Hoffnungen erahn ich in der Ferne 

Noch fühle ich nur etwas vages

Die Zukunft ist das Versprechen der Sterne 

Der Vorhang des Lebens, wie ein Schleier 

doch erkenn ich den Weg durch ihn hindurch

Die Lieder des Lebens sind wie eine Leier 

Doch singe ich sie in einem durch

Jann-B. Webermann 06. Januar 2017

Der Geburtstag

Heute Morgen am Friedhof kam mir ein alter Mann auf einem Fahrrad entgegen.

Er trug einen in Zeitungspapier gewickelten Blumenstrauß bei sich. Der alte Mann öffnete das Tor zum Friedhof, schob das Fahrrad hindurch. In meinen Gedanken stelle mir vor, dass seine verstorbene Frau heute Geburtstag hat und er ihr die Blumen an das Grab bringt. Er wird dann wieder nach Hause fahren, das gerahmte Bild seiner Frau auf den Küchentisch stellen. An der Stelle, an der sie immer gesessen hat. Dann schneidet er ein Stück Zitronenkuchen auf und legt auch ihr ein Stück auf den Teller. Er holt die Porzellankanne aus dem Schrank und füllt den frischen Kaffee in die Kanne. Er gießt sich und seiner Frau Kaffee ein. Dann setzt er sich auf den Stuhl. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, sagt er mit leiser Stimme. Eine Träne topft dabei in seinen Kaffee.

Jann-B. Webermann 26. November 2017

Flüssig gewordene Sehnsucht

Die Brandung treibt die Wellen an den Strand. Es ist als ob das Meer nach dir greifen und zu sich ziehen will, dass du eins werdest mit dem Meer. Es zieht dich magisch an, diese flüssig gewordene Sehnsucht. Du ziehst deine Schuhe und Strümpfe aus und gehst über den mit feinen Muscheln bedeckten, strahlend weißen Strand. Grad nur soweit, bis das das schäumende Wasser deine Füße bedeckt. Jetzt bist du eins mit dem Meer ………

Jann-B. Webermann 01. Oktober 2017

Das Meer

Was sind deine Gedanken wenn du an das Meer denkst?

Ich möchte dir erzählen woran ich denke:

Es ist früh am Morgen. 

Bevor ich es sehe, schmecke und rieche ich die salzige Luft die vom Meer ins Innere des Landes weht, erst viel später höre ich das Meer und denke, es ruft nach mir. Dann, wenn ich durch die hohen und langen Dünen gehe, erst dann können meine Augen das Meer sehen. 

Die Zeit des Sonnenaufgangs.

Da liegt es vor mir, das Element ohne das ich nicht existieren kann. 

Die Wellen sind an diesem Oktober Morgen besonders hoch. Ein starker Wind treibt sie an den Strand wo sie sich ganz weit auslaufen. Der Meeresschaum legt sich wie Schnee an den Strand. Hin und wieder stieben sie in der Dunkelheit einzeln weiter zu den Dünen als ob sie Schneeflocken wären. 

Ich beuge mich nach unten und nehme eine Handvoll Schaum. Ich reibe mein Gesicht und meinen Hals damit ein. Ich spüre sofort das Salzige auf der Haut. 

Bin ich jetzt eins mit dem Meer? Ein Teil von ihm? 

Die Sonne ist aufgegangen und ich gehe vom Strand zurück zu den Dünen. Ich schaue mich nicht um, denn ich verabschiede mich nicht vom Meer. Das Meer ist in mir.

Jetzt, am Ende der Dünen ist es ganz hell geworden, der Wind dort ruhiger. 

Ich höre sie noch, die Wellen. Bald, bald bin ich wieder da.

Jann-B. Webermann 30. September 2017