Ein großer weißer Strand. Ich gehe ihn entlang, schaue in die Ferne, doch meine Augen können nichts erblicken. Ich schaue hinter mir und auch dort sehe ich nichts. So gehe ich immer weiter, weiter weiter und weiter, und immer mehr suchen meine Augen.
Hin und wieder sehe ich Spuren im Sand. Spuren die ein Mensch hinterlassen hat. Doch langsam vergehen und verwaschen sich die Spuren und sind nach einiger Zeit nicht mehr zu erkennen. Ich schaue hinter mir und sehe die Spuren die ich hinterlasse. Auch diese werden einmal verweht werden. Sie waren da, doch niemand kann sie mehr sehen.
Rechts von mir, hinter den großen Bergen, geht die Sonne auf und links von mir, über dem großen Meer geht sie wieder unter, jeden Tag, für alle Ewigkeit. Über zwanzigtausend mal habe ich die Sonne aufgehen und untergehen sehen.
Mein Blick streift über den Strand, er ist voller kleiner und auch etwas größerer Steine. Steine in allen Schattierungen, in allen Farben glänzen und leuchten sie, als ob sie um die Wette leuchten würden. Ich bleibe hin und wieder stehen, nehme einen der Steine auf und betrachte ihn von allen Seiten, ich drehe ihn herum schaue wie er geformt ist, versuche das Besondere an diesem Stein zu erkennen. Manchen Stein nehme ich ein kleines Stückchen mit. Keinen dieser Steine werfe ich achtlos weg. Lege ihn behutsam zwischen den anderen Steinen dort wo er, wie ich glaube, hingehört.
Meine Augen suchen, sie suchen nach dem besonderen Stein. Einen Stein den es geben muss, einen Stein nach dem ich immer schon suche, den ich aber nur finde werde, wenn ich viel Glück habe. Ansonsten laufe ich an ihm vorbei ohne je zu wissen dass er dort lag.
All die Tage die ich an diesem Strand entlang gehe, trage ich einen Stein in meiner linken oberen Brusttasche meines Hemdes. Ich habe einen besonders auffälligen Stein entdeckt, war im Zweifel ob es der Stein ist, bin anfangs weiter gegangen und habe nicht mehr an ihn gedacht. Doch dann bin ich umgekehrt und habe nach ihm gesucht und in dem Moment war mir, als ob dieser Stein auch mich gesucht hat.
So nahm ich diesen Stein auf, der mir irgendwie besonders schien. Ich betrachtete seine wunderschöne Form, anmutig gleichmäßig schillernd in allen Farben. Bunt, so dass es mir ein Lächeln auf den Lippen zauberte.
Ich betrachtete den Stein von allen Seiten, drehte ihn herum schaut mir jede Ecke an, jede Rundung, jede Einkerbung. Ich sah dass auch dieser Stein nicht makellos war und war froh darum. Er hatte an verschiedenen Stellen Verletzungen. Sie mussten irgendwo her rühren, so wie der Stein am Strand lag habe ich sie nicht gesehen, dennoch ahnte ich dass sie da waren. Es schien, als ob der Stein sie verdecken wollte. Sie gehören dazu, die Verletzungen, sie machen den Stein zu dem, was seinen Charakter und seine Einzigartigkeit ausmacht. Als ich ihn so in den Händen hielt, fühlte ich eine Wärme die von dem Stein ausging. Ich fühlte wie seine Energie in mich strömte.
Ich trage dich nun in meiner Brusttasche, in dem Moment in dem ich dich dort hinein gesteckt habe, da wurdest du leicht. Lasse dich dort. Leicht ist es um mein Herz seit dem ich dich dort trage. Fühle keine Last mehr. Ich schau mich nochmal um, sehe das auch meine Schritte leichter geworden sind.
… und wenn ich dann nach einem langen Spaziergang wieder in die Wärme komme, die Wachsjacke ausziehe, die Gummistiefel abstreife, das Wasser vom Hut schlage, die Backen wie ein Bub so rot, dann liebe ich den Regen und den Winter.
Jedes Jahr, wenn das Jahresende naht und der Herbst den Rhythmus des Tages bestimmt, wird das Laub der Bäume zusammengekehrt. Sie kommen auf einen großen Haufen um wieder Platz zu schaffen. Viele Blätter unterschiedlicher Art, Größe und Farben, kommen zusammen. Wenn man genau hinsieht, gibt es einige Blätter die sich doch von all den anderen unterscheiden. Fast gehen sie unter, wenn man sie nicht aus dem großen Haufen herausnimmt und sie genauer betrachtet. Die besonderen, die auffälligen Blätter sortiere ich heraus und lege sie vor mir auf den Gartentisch. Sie alle symbolisieren das vergehende Jahr mit all den verschiedenen Ereignissen.
Viele der Blätter sind farbenfroh, so wie die schönen Tage die wir erlebt haben, die Ereignisse die uns im Nachhinein ein Lächeln herbeizaubern. Tage an die wir uns nur zu gerne erinnern. Aber es sind auch sehr viele kleine Blätter dabei, sie fallen nicht auf, gehen in der Menge der Vielzahl der Blätter unter. Sie deuten auf die Tage hin, die so an uns vorbeiziehen, Tage an denen der Alltag die Oberhand hat, Tage die uns nicht mehr in Erinnerung sind, Tage die verblasst sind. Einige Blätter habe Risse. Kurze oder auch lange Risse. Es sind die Tage an denen wir uns innerlich zerrissen fühlten, an denen uns Kummer und Sorgen begleitet haben. Die wenigen schwarzen Blätter erinnern uns an die Menschen, die in diesem Jahr von uns gegangen sind. Und so wie die alten Blätter das vergehende Jahr beschreiben, so symbolisieren die neuen Blätter des Baumes das Neue, das Kommende in unserem Leben. Ein neues Jahr das vor uns liegt. Mit 365 neuen Möglichkeiten.
Der Tod kommt langsam, doch er ist nicht schwarz gekleidet, er trägt ein helles Kleid, ein blütenweißes Kleid. Auch legt er nicht seine kalte Hand um dein Herz bis es nicht mehr schlägt sondern der Tod steht neben dir und wartet darauf, dass du mit ihm gehst. Er nimmt dich mit auf eine Reise die du nicht kennst, aber du weißt, dass diese Reise ohne Schmerz und ohne Trauer und ohne irgendwelchen Kummer sein wird.
So lässt du uns hier zurück auf dieser Welt, du bist jetzt auf deiner Reise die niemals enden wird. Noch beherrscht die Trauer um dein Fortgehen unser Denken.Doch schon bald werden wir uns an all die Zeit erinnern die wir zusammen verbracht haben. An deinen wunderbaren Humor, daran wie du platt deutsch und Hochdeutsch miteinander so herrlich in Verbindung gebracht hast. An so viele Geschichten. Wir werden immer an dich denken.